We can Rapunzel – Möhrenstreich

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Zutaten Möhrenstreich
30g Paranüsse
225g Karotten
1 TL Kokosöl
½ TL Currypulver (mild oder scharf nach belieben)
2 EL Zitronensaft
1 EL Crème fraîche
Salz

Zubereitung Möhrenstreich
Paranüsse grob hacken. In einer fettfreien Pfanne ein paar Minuten rösten. Auf einem Teller abkühlen lassen.

Möhren schälen, grob raspeln. Kokosöl in der Nusspfane erhitzen. Currypulver hinzufügen, ein paar Sekunden rösten (bis es duftet). Möhren hinzugeben. Braten lassen bis sie weich sind. Dann auch etwas abkühlen lassen.

Nüsse und Möhren, mit dem Zitronensaft, sowie der Crème fraîche in einen Mixer geben. Alles zu einer feinen Masse pürieren. Wenn sie zu fest ist, etwas Wasser hinzugeben. Mit Salz abschmecken.

Zutaten Brot
4 Scheiben Pumpernickel
4 Eier
Gurke
Möhrenstreich (siehe oben)

Zubereitung Brot
Eier kochen. Flüssig oder hart? Wie jeder möchte. Pumpernickel im Ofen ein paar Minuten rösten. Gurken in Scheiben schneiden.

Möhrenstreich auf das Brot streichen. Ei in Scheiben schneiden. Mit Gurkenscheiben dekorieren.


Abendessen mit Sonnenuntergang

Warum merkt er das eigentlich nicht? Er müsste den Klecks Soße, der ihm nun schon minutenlang das Kinn hinabläuft doch spüren. Immer wieder zuckt sein Mundwinkel, so als ob es ihn stören würde. Er fährt sich nervös mit der Hand durch die Haare. Krampfhaft versucht er den Mißstand zu beseitigen, weiß aber nicht wie, weiß noch nicht einmal, was überhaupt ‚falsch‘ läuft. Eigentlich müsste er nur zur Serviette greifen, einmal seine Lippen, seinen Mund, sein Kinn von Essensresten reinigen. Doch er tut es nicht, wird es wohl nie tun.

Die Situation, in der ich mich befinde ist lächerlich. Vielleicht ist es mittlerweile mein gesamtes Leben, das mich so empfinden lässt. Allein wie ich hier in einem zu teuren Restaurant sitze. Schweigend. Mir gegenüber sitzt mein Mann. Schweigend. Nichts deutet darauf hin, das wir einst, über den Beruf hinaus, in Liebe miteinander verbunden waren. All dies reizt mich zu einem bitteren Lachen. Ich kann ihm nicht einmal mehr beim Essen zusehen, ohne ihn gleich zu hassen. Gleich wird er wieder diese Geräusche produzieren, dieses Schmatzen und Schnalzen. Mit der Zunge wird er versuchen, seine Zähne von Speiseresten zu befreien. Allein der Gedanke daran lässt mich schaudern. Ich konzentriere mich auf meinen eigenen Teller: Das Kalbsfilet ist wieder sehr gut geworden! Mit einem kleinen Stück Zitrone garniert schiebe ich mir ein Stück Fleisch in den Mund. Den bitter-sauren Bissen lasse ich mir auf der Zunge zergehen, kaue dann kräftiger, versuche zu schlucken. Es will mir nicht gelingen. Immer weiter kaue ich das Fleisch. Für einen kurzen Moment taucht ein Bild in meinem Kopf auf. Ich meine mich zu erinnern, warum ich diesen Mann, der mir gegenüber sitzt, einst zu lieben glaubte. Bei einem köstlichen Mahl haben wir uns kennen und unsere gegenseitigen Fähigkeiten lieben gelernt. Ich hatte den Geschmack, den Sinn für die kulinarische Freude. Du hingegen hattest die passenden Worte diese Genüsse zu beschreiben. Schnell wurden wir ein angesehenes Kritiker-Duo in der Gastronomieszene. Es dauerte nicht lange dann waren wir auch privat ein Paar. Schnell merkte ich aber, das dies nicht aus Liebe geschah. Auch dies war nur ein taktiler Schachzug von dir, meine Geschmacksknospen langfristig an dich zu binden. Ich habe dich geliebt, gebe es offen zu, schäme mich dessen nicht. Doch irgendwann ist mir der Grund für unsere Liebe abhanden gekommen. Ich hatte keinen Halt mehr. Als ob ich in einem See herumlaufen würde, wo plötzlich der Boden in einer Untiefe verschwindet. Ich bin einfach untergegangen: Jeden Abend musste ich essen, immer mehr, immer ausgefallener. Zur Vorspeise gab es ein Vitello ‚verkehrt‘ mit Ochsensalat, Limone und Kapernbeeren. Gefolgt von einer Sauerampfersuppe mit Forelle, Kaviar und Mandel. Als Hauptgericht wurde mir dann Zweierlei vom Lamm mit Minze, Artischocke und Zitronenpolenta serviert. Das Dessert war eine Tarte von Ziegenfrischkäse mit geschmorter Vanille-Mango und Passionsfruchthollandaise. Ein ebenso typisches wie kleines Abendessen für mich. Magentabeletten wurden mein ständiger Begleiter. Ich kann das ganze überflüssig-luxuriöse Zeug nicht mehr sehen, geschweige denn essen. Früher haben wir nicht viel benötigt, um glücklich zu sein. Ein gutes Glas Wein, ein Stück Brot waren vollkommen ausreichend. Nun da wir das Fleisch als Belag dazubekommen haben, bist du gierig geworden. Es musste immer mehr und mehr werden. Vor allem wolltest du den Ruhm für dich allein. Noch immer kaue ich auf dem Bissen Kalbsfilet herum. Hänge meinen Gedanken nach. Dir fällt noch nicht mal auf, das wir nicht miteinander sprechen. Ich schenke mir selbst ein Glas Wein ein. Die Kellner hier waren auch schon aufmerksamer. Von meinem Mann erwarte ich solche Höflichkeiten schon lange nicht mehr. Zusammen mit einem größeren Stück Wein würge ich den Bissen hinunter, schaue dabei in die langsam untergehende Sonne. Der Alkohol dämpft ein wenig mein Gemüt, so daß meine negativen Gefühle nicht in offenen Haß umschlagen. Mit einem Kopfnicken signalisiere ich dem Kellner, daß ich fertig bin. Bevor dieser mich von meinem Teller befreien kann, fragst du mich, ob ich nicht mehr essen möchte. Ich lächle beschämt, schüttele leicht den Kopf, wohlwissend was nun gleich folgen wird. Weit über den Tisch ausholend schaufelt sich der Kerl ein Stück Brot, mitsamt dem letzten Rest Kalb in den Mund. Er bleckt die Zähne, leckt sich die Lefzen. Du bist widerlich, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dabei habe ich dich einst geliebt. Endlich kommt der Kellner, räumt die Teller ab. Dabei versucht er mir schamlos in den Ausschnitt zu starren. Dich interessiert das nicht, du selbst hast mich schon ewig nicht mehr angesehen, geschweige denn berührt. Aus deinem Gesicht springt mich ein breites, geschmackloses Grinsen an. Mir wird schlecht. Ich stoße auf, spüre den Geschmack von Thunfisch vermischt mit Kapern und Magensäure in meinem Mund. Der Besitzer des Lokals kommt zu uns an den Tisch, versucht uns mit ein paar höflichen Floskeln zu unterhalten. Wie immer steigst du sofort darauf ein. Deine laute Stimme ist mehrere Tische weit zu hören, dein Lachen erfüllt drückend die Terrasse. Ich stehe auf. Mit einigen wenigen Worten entschuldige ich mich, eile ins Bad.

Leise schließt sich hinter mir die Tür. Das schlichte Weiß der Fliesen beruhigt mich. Ich gehe in eine Kabine und hocke mich auf die Toilette. Ich sitze einfach nur da. Aus meiner Tasche hole ich meinen Schlüsselbund. Locker halte ich es in der Hand, spiele damit während ich nachdenke. Was ist aus mir geworden? Wohin hat mich mein Leben mit Dir geführt? In der Welt da draußen sind wir ein angesehenes Paar, doch haben wir uns je geliebt?! Für dich waren wir eher eine Zweckgemeinschaft. Mein Gaumen und deine intellektuellen Fähigkeiten bildeten so etwas wie ein dynamisches Duo. Es war von Anfang an klar, das ich nur eine kleine Nebenrolle zu spielen hätte. Du hast mich immer klein gehalten, auch wenn ich meine eigenen Texte verfassen wollte. Noch weißt du nicht, das ich angefangen habe unter einem Pseudonym zu schreiben. Es ist nur eine Stadtteil-Zeitung; doch ich schreibe – ich werde gelesen! Die Eindrücke des heutigen Tages drehen sich in meinem Kopf wie ein Karussell. Für einige wenige Momente habe ich das Gefühl Ohnmächtig zu werden. Das Schlüsselbund fällt scheppernd auf den Boden. Fast wäre es wieder passiert. Der letzte Blackout, den ich erlitt, hat mir eine Platzwunde am Kopf und eine Gehirnerschütterung beschert. Seitdem bin ich vorsichtiger geworden und habe mir den Trick mit den Schlüsseln ausgedacht. Es ist ein kleiner Schutzschalter, für den Fall, das mir eine Überdosis Realität, droht das Gehirn kurzzuschließen. Die Ausflüchte in die Dunkelheit können sehr schmerzhaft sein. Wie lange bin ich schon im Bad? Mein Zeitgefühl ist mir komplett abhanden gekommen. Mühsam stehe ich auf, verlasse die Kabine. Bei den Handwaschbecken schaue ich noch mal kurz in den Spiegel. Ein bleiches, maskenhaftes Gesicht blickt zurück. So kann ich nicht wieder hinausgehen. Meine Oma hat mir früher immer in die Wangen gekniffen, um die gewünschte rosa Wangenfärbung zu erzeugen. Ich begnüge mich mit etwas kaltem Wasser, das ich mir hastig ins Gesicht spritze. Noch schnell abtrocknen, dann wieder hinaus.

Obwohl ich längere Zeit fortgewesen sein muß, ist es weder meinem Mann noch dem Besitzer des Lokals aufgefallen. Kein Wort, keine Geste bekomme ich von ihnen zur Begrüßung. So weit her ist es also mit meinem Status… Ich bin vollkommen unwichtig geworden. Die Macht des kritischen Wortes verkörperst nur noch du allein. Ich trinke einen großen Schluck Wein, versuche mich zu entspannen. Die untergehende Sonne scheint mir mittlerweile direkt in das Gesicht. Die Augen zusammenkneifend sitze ich da, schaue dich einfach an, versuche etwas anderes zu empfinden außer Neid, Haß und Ekel. Doch es will mir nicht gelingen. Der Kellner kommt mit einem kleinen Handfeger und einer Schaufel an unseren Tisch. Mit kurzen schnellen Bewegungen beginnt er die Brotkrumen, die auf unserer Tischdecke liegen, zusammzufegen. Dabei wirkt er betont betont lässig. Nicht allzuviele Gedanken verschwendet er auf sein Tun. Vielmehr versucht er auch weiterhin einen Blick auf meine Brüste zu werfen. Ein Lächeln umspielt meine Lippen. Ein wenig fühle ich mich geschmeichelt, auch gestreichelt von seinen ungezügelten Blicken. Der junge Kellner beachtet mich mehr als mein Mann, der gerade wiehernd über einen seiner eigenen Witze lacht. Mittlerweile fliegen die Brotkrumen in das kleine Schäufelchen. Der Dreck wird einfach mit einer nebensächlichen Bewegung weggefegt. In dem Moment, wo ich dieses Bild betrachte, scheint mich die Erkenntnis zu überrollen: Ich werde meinen Mann einfach verlassen. Heute werde ich mein eigenes Leben beginnen. Die Trennung ist längst überfällig. Den Ballast, den er seit geraumer Zeit bildet, werde ich einfach abschneiden. Vielleicht bekomme ich so sicheren Grund unter meine Füße. Mein Vertrauen in meine Fähigkeiten ist groß genug geworden. Jetzt drehe ich den Spieß um! Inzwischen kann ich ohne deine Fähigkeiten zu schreiben auskommen, doch du nicht ohne meine Sinn für Geschmack und Komposition. Dich und die Vergangenheit werde ich zurücklassen. Einfach so. Mit der gleichen Leichtigkeit, mit der die Brotkrumen vom Tisch gefegt wurden, fege ich dich aus meinem Leben. In einer deiner kurzen Gesprächspausen versuche ich dir meine Entscheidung mitzuteilen. Doch ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll. Mein Blick fällt auf die Speisekarte. Die Entscheidung mein Leben zu verändern, in andere Bahnen zu lenken, beruhigt mich. Langsam bekomme ich wieder Appetit. Ich werde mir jetzt ein Dessert bestellen. Werde genüsslich ein Tiramisu löffeln. Dabei werde ich sehr nett zu dir sein – ausgesprochen nett. Wir werden uns zum ersten Mal an diesem Abend miteinander unterhalten. Ich werde dich anschauen, also ob ich dich noch lieben würde. Diese Minuten werde ich auskosten. Bei jedem Bissen werde ich an unsere glücklichen Tage zusammen und an die noch glücklicheren Tage ohne dich denken. Zum Abschluss werde ich noch einen Espresso trinken. Wenn dann der letzte Geschmack von meinem Tiramisu in meinem Mund verklungen ist, werde ich aufstehen und es dir sagen. Es ist aus. Dann entschwinde ich in den dunklen Abend.


An jedem Samstag

An manchen Tagen scheint bereits die Sonne. Auch für uns tut sie das hin und wieder. Die Luft ist nicht mehr so schneidend kalt und die Zeit wird uns nicht lang sein. Manche von uns haben sich einen Klappstuhl mitgebracht, auf dem sie gemütlich sitzen können. In einer Thermoskanne ist starker, schwarzer Kaffee. Der wärmt von Innen. Alkohol ist verboten und keiner möchte riskieren heute leer auszugehen. Für manche ist es die letzte Gelegenheit, vor dem Wochenende noch etwas zu Essen zu bekommen. Hin und wieder erwischen sie einen von uns. Er wird dann ohne etwas nach Hause geschickt. Die anderen lassen sich das dann eine Lehre sein. Doch heimlich wird immer getrunken. Das warme Wetter sorgt für eine entspannte Stimmung. Wir können in Ruhe rauchen und reden; der eine erzählt einen Witz oder eine Geschichte vom Amt. Diese Geschichten sind meist traurig, weil es um Geld geht: wieviel uns zusteht und wieviel halt nicht. Einige lachen dann trotzdem, seltsam leise und böse. Oftmals reicht das bewilligte Geld zum Leben nicht aus. Deswegen müssen wir hierher kommen. Hier erhalten wir eine Tüte mit Lebensmitteln. Wir müssen uns nicht erklären. Nicht sagen, wer wir sind oder warum wir kommen. Wir werden als das akzeptiert, was wir sind: hilfsbedürftig, an Nahrung, aber auch an Zuwendung. Für einen kurzen Moment sind wir nicht mehr die graue Masse. Aus den anonymen Zahlen werden hier Menschen mit ihren traurigen, oftmals tragischen Geschichten. Doch von Zeit zu Zeit sind diese Erlebnisse auch voller Hoffnung. Der oder die erzählt, daß er/sie einen Job gefunden habe und heute das letzte Mal komme. Ich selbst durfte das schon erleben. So etwas gibt den anderen Mut. Nächste Woche könnten vielleicht sie selbst, diese Neuigkeit an die Wartenden verkünden, verbunden mit dem Versprechen, die Zurückbleibenden natürlich nicht zu vergessen. Doch man wird sie nie wieder sehen. Das ist aber auch okay. Wer will schon freiwillig etwas mit uns zu tun haben. Nicht das wir stinken würden. Das habe ich hier noch nie erlebt. Wir sind arm, unsere Kleider alt, aber immer sauber. Unsere Haare sind stumpf, ohne Glanz, weil wir sie mit Seife waschen anstatt mit einem teuren Shampoo. Man sieht uns einfach an, das wir arm sind. Meine Hose ist am Knie aufgerissen; mein bleiches Bein schaut heraus. Das ist kein Chic, kein Trend; meine Hose ist einfach kaputt. Am Monatsanfang müssen wir nicht drängeln. Der Andrang ist nicht so stark wie am Monatsende, wo das Geld der ‚Stütze‘ langsam knapp wird. Alle werden genug Lebensmittel bekommen. Dann leben selbst wir für einen kurzen Augenblick in einem Gefühl des Überflusses. Mit unseren Handwägen stehen wir an der Ecke. Direkt vor dem Haus dürfen wir nicht warten, da haben wir schon Ärger bekommen. Unser Anblick stört die Anwohner. Armut scheint wie eine Krankheit, mit der sich niemand infizieren möchte. Die arbeitende Bevölkerung möchte in Ruhe in ihrer Welt der scheinbaren Sicherheit leben. Vielleicht sind wir aber nur ihr schlechtes Gewissen? Jedesmal wenn sie uns sehen, denken sie, sie müssten diesen armen Menschen helfen. Doch wenn sie am reichlich gedeckten Abendbrottisch sitzen, haben sie schon wieder vergessen wem sie eigentlich helfen wollten. Nächste Woche wiederholt sich das Ganze. Sie erinnern sich. Irgendwann wollen sie nicht mehr erinnert werden. Dies ist meist der Zeitpunkt, wo wir fort müssen. Deswegen treffen wir uns woanders. Wir müssen uns unsichtbar machen oder zumindest den Zusammenhang verwischen. Es darf nicht ersichtlich sein, das wir nach Essen bitten. Wenn wir an der Ecke stehen, fünfzig Meter entfernt, sehen wir nicht mehr so bedrohlich aus. Ach, diese Menschen treffen sich nur, um zu reden und nicht weil sie von der Gesellschaft versorgt werden müssen! In Demut verharren wir, bis man uns etwas gibt. Die meisten Menschen denken, unser Leben sei einfach. Wir hätten nichts zu tun, keinen Streß wegen Terminen oder dergleichen. Wissen sie eigentlich wie anstrengend das Warten ist?! Immer stehen sie und warten, auf einen Job, einen Termin beim Amt, auf Essen. Letzte Woche habe ich es auf dem Arbeiterstrich probiert. Doch man hat mir gesagt, dort nehmen sie keine Frauen. Den ganzen Morgen habe ich dort gestanden. Im Regen! Ein paar von uns wurden abgeholt. Doch sie bekommen nicht viel Lohn, manchmal auch gar keinen. Beim Arbeitsamt bekommen Tagelöhner ab und zu etwas. Hier habe ich manchmal einen Putzjob ergattert. Doch auch nicht immer. Man steht um drei auf, um als erster da zu sein, dann wartet man mit ungewissem Ausgang den ganzen Morgen lang. Das Warten macht krank. Deswegen trinken die meisten hier. Sie trinken, weil sie das Warten nicht ertragen können. Sie warten darauf, das endlich das Leben beginnt. Denn das hier, das kann doch nicht Alles gewesen sein?! Doch nichts passiert… Der nächste Schluck Alkohol, der nächste Zug an der Zigarette, ist der einzige Trost, der ihnen geblieben ist. Sie haben nichts anderes. Es ist soweit. Ein junger Mann holt einen nach dem anderen und führt ihn zu der Lebensmittelausgabe. Alles verläuft ruhig. Wir dürfen nicht auffallen. Es dauert noch eine halbe Stunde, dann bin ich an der Reihe. Ich bekomme zwei Tüten, gefüllt mit Lebensmitteln. Endlich kann ich wieder nach Hause gehen. Ich trete aus dem düsteren Haus in den Sonnenschein. In der Tüte obenauf liegt ein saftiger, roter Apfel. Es ist nur einer. Wir sind zu viert. Ich greife in die Tüte, hole den Apfel heraus, reibe ihn an meiner kaputten Hose. Ich kann nicht anders, ich muss hineinbeißen. Süß schießt mir der Saft in den Mund. Ich kaue genußvoll. Ich will endlich mal etwas für mich haben. Mir läuft eine Träne die Wange hinab. Ich schäme mich. Doch auch das wird vergehen. Ich warte darauf, das der Schmerz nachlässt. Irgendwann werde ich ihn nicht mehr spüren. Hoffentlich.